Die Proteste gegen den Bildungsplan für eine offene und vielfältige Gesellschaft in Baden-Württemberg gaben einer Bewegung aus Ultrakonservativen und (christlichen) Fundamentalisten ein verstärkte Medienpräsenz. Nun scheinen die Radikalen auch in etablierten Medien Gehör gefunden zu haben. Offenbar nutzen sie diese, um ihre absurden Thesen ungefiltert zu verbreiten. Bereits zum zweiten Mal in diesem Monat veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen polemischen Beitrag, der vor Aufklärung über sexuelle Vielfalt an den Schulen warnt. Martin Voigt propagiert in seinem Beitrag „Aufklärung oder Anleitung zum Sex?“, dass rot-grüne Bildungspolitik Kindesmissbrauch fördere und die gesamte Gesellschaft umerzogen werden solle.
Voigts Text ist keine sachlich-pädagogische Auseinandersetzung sonder reine Hetze. Wie auch der ebenfalls in der in der der FAZ erschienene Artikel „Unter dem Deckmantel der Vielfalt“ von Antje Schmelcher besteht er vor allem aus einer Aneinanderreihung von Fremdzitaten zu Themen, die kaum zusammengehören. Man kann hier nur dürftig von Journalismus, sondern muss eher von gezielter Desinformation sprechen. Dabei wird bewusst mit der Dämonisierung von Lesben und Schwulen ein Klima der Diskriminierung etabliert. Die unterschwellige Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophile, sowie der Mythos von der „Rekrutierung“ von Kindern durch Homosexuelle, die seit Jahren im demagogischen Giftschrank weggeschlossen waren, werden nun wieder hervorgebracht. Gruppenbezogene Diskriminierungen sollen so wieder diskursfähig gemacht werden. Den Akteuren dieser politisch rechten Sammelbewegung geht es um nichts weniger als ein Zurückdrehen des gesellschaftlichen Fortschritts der letzen Jahrzehnte. Nicht nur die Rechte Homosexueller sind von diesem Rollback betroffen. Auch das Frauenbild der Neokonservativen passt nicht in dieses Jahrhundert.. Was in den genannten Artikeln gedruckt wurde ist somit nichts anderes als ein direkter Angriff auf das demokratisch-plurale Selbstverständnis unserer Gesellschaft.
Neben der FAZ wurde auch der Focus zum Sprachrohr der Vielfaltsgegner. So warnte der Vorsitzende des Philologenverbands in Baden-Württemberg Bernd Saur vor einer „staatlich sanktionierten Vergewaltigung der Kinderseele“. Auch hier fehlt eine kritische Betrachtung Seitens des Wochenmagazins. In christlich-fundamentalistischen und rechten Internetforen verbreiten sich dieser Tage alle genannten Artikel rege.
Die Schwusos NRW finden das Verhalten der beider Blätter enttäuschend und für die deutsche Presselandschaft beschämend. Sie fordern sowohl den Focus, als auch besonders die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf, ihrer Aufgabe in unserer Demokratie gerecht zu werden, zur gesellschaftlichen Aufklärung beizutragen statt sich weiter von rechtspopulistischen Rattenfängern instrumentalisieren zu lassen.